Sonntag, 21. November 2010

Predigt am 21.November 2010

Offenbarung 21,1-7 – Ewigkeitssonntag, 21.11.2010 – St.Marien Abtswind
AT-Lesung : Jesaja 65,17-25 # Evangelium : Matthäus 25,1-13

Wie geht es weiter? Was kommt auf uns zu? Das sind Fragen, die uns aus verschiedenen Blickrichtungen immer wieder begegnen. Da gibt es die ganz persönlichen Fragen: Wie geht es mit mir weiter und was kommt auf mich zu – mit meiner Gesundheit, mit meinem Arbeitsplatz, mit meiner Lebensplanung. Diese Frage wird je nach Lebensalter und persönlicher Situation unterschiedlich intensiv gestellt. Wer jung ist und einen sicheren Arbeitsplatz hat, der fragt da weniger als jemand in vorgerücktem Alter, mit angeschlagener Gesundheit und einem gefährdetem Arbeitsplatz. Für manch einen steht das Erreichen der Altersgrenze unmittelbar bevor, oder sie ist schon überschritten. Dann schließt sich die Frage an: Und was kommt jetzt? Der einzige dann noch feststehende neue Punkt im Lebenslauf ist der Tod. Spätestens da ist unser Leben von dem „Aus“ bedroht“. – Was kommt auf uns zu? Da hat es vorgestern auf der Bundesstraße 286 bei Schwebheim furchtbar gekracht und drei junge Menschen waren von jetzt auf gleich tot. Auf dem Weg in die Schule waren sie. Und jetzt ist es aus mit ihnen. Ist mit ihrem Tod alles aus? Und was ist jetzt mit ihnen? – Wie geht es weiter? Was kommt auf uns zu? Die Gefahr des Terrorismus ist in unserer globalisierten Welt gewachsen. Unser Bundesinnenminister hat vor ein paar Tagen die Öffentlichkeit infor-miert, dass es am Ende dieses Monats einen Terroranschlag in unserem Land geben könnte. Und wenn das passiert, und jemand von uns oder aus unserem nächsten Umkreis kommt dabei ums Leben kommt? Erschrocken war ich, als ich gestern bei einer Gottesdienstübertragung aus dem Petersdom in Rom sah, dass der Papst beim Einzug in die Kirche rechts und links von je vier Sicherheitsbeamten begleitet und geschützt wurde. – Was kommt auf uns zu? Das müssen wir uns fragen, wenn wir von Wissenschaftlern hören, dass es im Weltall kleine herumschwirrende Himmelkörper gibt, die mit der Erde zusammenstoßen können und dann Sintfluten und andere Naturkatastrophen auslösen. – Das alles sind Bedrohungen unseres Lebens, die wir ernst nehmen müssen. Wir müssen in diesem Zusammenhang das Wort Jesu hören und darin unsere Sorgen einwickeln lassen: „Himmel und Erde werden vergehen.“

In der heutigen Epistel aus dem vorletzten Kapitel der Bibel wird dieses Wort von der Vergänglichkeit aller Dinge durch den Seher Johannes weitergeführt: „Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde ist vergangen“ und er gibt das von ihm gehörte göttliche Wort weiter: „Siehe, ich mache alles neu!“ Das war im Grunde genommen nichts Neues. Aus den Worten des Propheten haben wir das ja in der 1.Lesung schon gehört: „Ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken wird.“ Wir wissen, dass trotz aller medizinischer Möglichkeiten unser leibliches Leben irgendwann zu Ende geht. Wir wissen auch von unseren Maschinen und Autos, dass sie trotz aller Inspektionen und Pflege kein ewiges Leben haben. Und wir wissen auch, dass unsere Häuser trotz bester Materialien und hingebender Pflege irgendwann nicht mehr zu nutzen sind.

Das ist die Botschaft Jesu, dass das Reich Gottes mit seinem Kommen in die Menschheit im Verborgenen begonnen hat und dass dieses Reich Gottes erst mit dem Jüngsten Tag zur vollen Entfaltung kommen wird. Und das ist die Aufgabe – die einzige Aufgabe - der Kirche, diese Botschaft zu verbreiten. Erstens, dass die Dinge, die uns so fest und selbstverständlich erscheinen nur eine begrenzte Zeit bestehen, und zweitens, dass Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen wird. Das gilt für alle – auch für die, die sich sicher fühlen und dauerhaft sagen wollen: „Augenblick verweile, du bist so schön!“. Das gilt für alle – auch für die, die Angst vor Unfall, Krankheit, Sterben, Terrorismus, Krieg und Katastrophen aus dem Weltall haben. Das Wichtigste an dieser neuen Schöpfung ist, dass wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen werden: „Er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein.“ Und weil Gott dann bei uns und wir bei Gott in unvorstellbarer Nähe sind, wird es das nicht mehr geben, was in unseren Erdentagen beängstigend und belastend ist: „ Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.“

Es gibt außer heute zwei weitere Plätze in der kirchlichen Leseordnung, wo uns diese Gedanken vom himmlischen Jerusalem sinnvoller Weise begegnen. Mit einer gewissen Regelmäßigkeit ist dieser Text bei Beerdigungen am offenen Grab zu hören. Und es ist die Epistel am Kirchweihfest. Ja, es macht Sinn, sich an einem offenen Grab, nach dem Tod eines Menschen dies neu anzuhören, dass Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen will, in dem es keine Tränen, kein Leid, Geschrei und Schmerzen und keinen Tod mehr geben wird. Wenn man das Leiden und Sterben eines Menschen miterlebt hat, dann ist das ein großes und richtungweisendes Wort unseres Gottes: „Siehe, ich mache alles neu!“

Jesus wurde einmal gefragt, wie das im ewigen Leben sein wird. Seinen Gesprächspartnern ging es darum, ob die Lebensbeziehungen des irdischen Lebens sich in der Ewigkeit fortsetzen werden. Und er gibt ihnen zur Antwort: „In der Auferstehung werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie die Engel im Himmel“ (Mt.22,30). Paulus schreibt zu dieser Frage in 1.Thessalonicher 4,17 als das Entscheidende: „Wir werden bei dem Herrn sein alle Zeit.“ Und der Seher Johannes hörte: „Er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein.“ Auferstehung und ewiges Leben ist nicht etwas, das in unserer menschlichen Qualität begründet wäre, sondern es ist allein aufgrund von Gottes Verheißung Inhalt unseres Glaubens und Hoffens. Menschliche Philosophie und Fantasie hat so manche Spekulation hervorgebracht. „Unsterblichkeit der Seele“ – wegen ihrer hohe Qualität, ist so ein Denkmodell, oder die Seelenwanderung, nach der es möglich wäre, dass ich in meinem nächsten Leben ein Tier wäre. Auferstehung und ewiges Leben sind einzig und allein Zusagen und Gaben Gottes.

Außer am Ewigkeitssonntag und bei Beerdigungen hat die Lesung vom himmlischen Jerusalem ihren Platz am Kirchweihfest. Die 22 Jahre, die ich in Gochsheim Pfarrer war, habe ich immer wieder gestaunt über die Inschrift über dem Kircheneingang. Da hat man vor knapp 140 Jahren die Kirche groß erweitert. Damals war sie das mit Abstand größte Gebäude im Dorf, auf das man stolz sein konnte. Aber man meißelte in aller Bescheidenheit über den Haupteingang. „Eine Hütte Gottes bei den Menschen.“ Damit hat man bewusst aus der Kirchweihepistel zitiert, in der die neue aus dem Himmel kommende Stadt als „die Hütte Gottes bei den Menschen“ bezeichnet wird. Sie wussten damals, was alle Christen wissen sollen, dass das Kirchengebäude Gottes „Bodenstation“ ist, die zu nichts anderem gebaut worden ist, als dass in ihr die Beziehung zu Gott praktiziert wird im Hören auf sein Wort, in der Feier seines Mahls, im Lobgesang seiner Herrlichkeit und im Gebet. Hier, in der Kirche – egal ob das St.Michael in Gochsheim oder St.Marien in Abtswind ist – ist die Stelle, wo man sich mit Öl bevorraten kann, um es im Bild des heutigen Evangeliums zu sagen. Hier werden wir durch die biblische Botschaft mit Gottes Gedanken vertraut gemacht und im Heiligen Mahl in die Gemeinschaft mit Jesus und seiner Ewigkeit immer neu eingebunden. Hier haben unsere Verstorbenen das Wort Jesu gehört: „Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“ Hier haben sie sich bekannt zu Gott, dem Allmächtigen, zu Jesus Christus, unserm Herr für Zeit und Ewigkeit und zur Auferstehung der Toten und dem ewigen Leben. Heute denken wir an unsere Verstorbenen. Nur der ganz Verblendete denkt dabei nicht an die Begrenztheit seines Lebens und sein Sterben-Müssen. Jesus erinnert uns im heutigen Evangelium, rechtzeitig uns auf die Begegnung mit ihm vorzubereiten, denn die kommt auf jeden Fall auf uns zu. So geht es weiter!

Sonntag, 14. November 2010

Predigt am 14.November 2010

Römer 8,18(-23) – Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr – 14.November 2010
St.Marien Abtswind
AT-Lesung : Jeremia 8,4-7 # Evangelium : Matthäus 25,31-46

Ein schwerer Vorwurf gegen die Evangeliumsverkündigung der Kirche ist der Satz, da würde nur auf das Jenseits vertröstet. Das Evangelium sei „Opium für das Volk“ ist eine Gipfelaussage, kirchliche Verkündigung sei nur eine Betäubung – und nicht mehr.
Dazu sind zwei Erwiderungen erforderlich: Einmal geht es in der Verkündigung Jesu und damit in der biblischen Verkündigung wie auch in der kirchlichen Verkündigung um den Hinweis auf das ewige Reich Gottes nach dem Ende aller Dinge. Unser heutiger Predigttext ist in diesem Zusammenhang ein besonders deutliches Beispiel, wenn da von den Leiden dieser Zeit, dem ängstlichen Harren der Kreatur und von der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll, die Rede ist. Zum andern ist in der Verkündigung Jesu, in der biblischen Botschaft und in dem Reden der Kirche viel von den gegenwärtigen Dingen zu hören. Das heutige Evangelium ist dazu ein deutliches Beispiel, welche Dinge nach dem Willen Jesu von den Menschen hier und heute getan werden sollen
Der eingangs genannte Vorwurf hat leider zu manchen Zeiten dazu geführt, dass man sich in der kirchlichen Verkündigung gescheut hat, die künftige Herrlichkeit bei Gott zu predigen – auch in unserer Zeit kann man das da und dort erleben. Was auch immer die Kritiker der Kirche vorzubringen haben, wir glauben an den Jesus Christus, der derselbe ist gestern und heute und auch in Ewigkeit. Und von diesem Herrn geht Trost aus in den Worten, die der Apostel Paulus als erster formuliert hat: „Ich bin überzeugt, dass die Leiden dieser Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.“
Früher hieß es in vielen Lebensbereichen. „Abwarten!“ Da hat sich heute Einiges geändert. Da gibt es heute vor dem Buchen eines Urlaubsquartiers die Möglichkeit, sich im Prospekt und mehr noch im Internet über die Region, über den Ort und über das Haus genaue Informationen einzuholen. Und wenn man dann ankommt, stellt man fest: Ja, es ist genauso, wie ich es im Prospekt gesehen oder im Internet recherchiert habe. - Ob’s ein Mädchen oder ein Bub ist, das können werdende Eltern schon lange vor der Geburt feststellen lassen, und die Möglichkeit, ein Kind vor der Geburt schon recht genau sehen zu können, ist durch die hochentwickelte Ultraschall-Technik möglich. - Die Wettervorhersagen treffen heutzutage sehr viel exakter zu als in früheren Jahrzehnten. - In vielen Bereichen sind genaue Voraussagen heute eine Selbstverständlichkeit – egal ob das die Knautschzone bei einem Auto oder die Sicherheit eines Hochhausbaus in einer erdbeben-gefährdeten Region ist.
Man möchte am liebsten alles von vornherein genau wissen und nichts abwarten müssen. In diesen Zusammenhang gehört die Kritik an der Verkündigung der Kirche über die künftigen Dinge. Der „natürliche Mensch“ glaubt je länger desto mehr nur an das, was er mit seinen fünf Sinnen jetzt wahrnehmen kann. Es gibt die harte Grenze, die durch unsere Gesellschaft, ja durch die ganze Menschheit geht. Da sind die einen, die ganz nüchtern nur das für wahr halten, was sie jetzt haben, sehen und fühlen. Und da gibt es die anderen, die offen sind für mehr, als was sie jetzt begreifen können, die sich etwas aus der göttlichen Offenbarung sagen lassen, was tiefere Hintergründe und was göttliche Pläne sind.
Dem „vernünftigen Menschen“ sind allerdings Grenzen gesetzt. Am heutigen Volkstrauertag nehme ich ein Beispiel aus der Kriegszeit. Da gab immer wieder die merkwürdige Begebenheit, dass eine Mutter eines Soldaten sagte: „Jetzt ist mein Sohn ums Leben gekommen!“ Sie war sich in weiter Ferne ganz sicher, dass ihr Kind gefallen ist. Und lange Zeit später kam – zumindest in den Anfangszeiten des Kriegs war das möglich – die Meldung, dass dieser Soldat gefallen ist. Und beim Nachforschen kam heraus, dass dieser Kriegstod genau zu dem Zeitpunkt eingetreten ist, an dem die Mutter dies gefühlt hat. Eins von vielen Beispielen, die mit unserer Vernunft nicht zu erklären sind.
Wohl dem Menschen, der diese Offenheit hat und nicht der Meinung ist, er sei Gott gleich die höchste Instanz, die bestimmen kann, was wahr ist und was nichts ist. Paulus schreibt von den Leiden dieser Zeit, die man nicht übersehen aber auch nicht überbetonen soll, die eingebettet sind in das Leiden der ganzen Schöpfung. Wir denken heute besonders an all die Leiden, die durch die Kriege immer wieder entstanden sind und entstehen. Da gibt es nicht nur die Soldaten, die im Kampf oder an den Folgen der Kämpfe oder als Kriegsgefangene sterben – ihr persönliches mehr oder weniger langes Leiden. Da gibt es die anderen Betroffenen, die unter kriegerischem Töten leiden: Eltern, Ehefrauen und Kinder, die eine für sie wichtige Person durch den Kriegstod verlieren und anschließend ihr Leben in einem Stil führen müssen, wo eine wichtige Person fehlt. Man kann dieses Leid in sich hineinfressen und verbittern. Der Mensch, der zu dem am Kreuz leidenden und aus dem Grab auferstandenen Jesus glaubt, kann sich von Paulus sagen lassen, dass die Leiden dieser Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. Eine Fülle anderer Leiden der Zivil-Bevölkerung wäre noch aufzuzählen.
Ich selbst habe meinen Vater im Krieg verloren. Ich bin meiner früh verstorbenen Mutter dankbar, dass sie meine Schwester und mich in der christlichen Hoffnung und nicht im Hass auf die, die unseren Vater getötet haben, erzogen hat. Ich habe meinen Paten erlebt, der im Krieg einen Arm verloren hat, mich als fröhlicher Christenmensch auf meinem Weg begleitet hat und mir ein Vorbild im Glauben und Hoffen geworden ist. Beide stehen mir vor Augen, wenn ich in der Bibel lese: „Ich bin überzeugt, dass dieser Zeit leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.“
Das gilt nicht nur im Blick auf Leiden, die in kriegerischem Zusammenhang ausgelöst werden – aber eben auch da. Wir hören von den Soldaten der Bundeswehr, die in Afghanistan den Frieden sichern sollen, aber in Kämpfe verwickelt werden, von der Schusswaffe Gebrauch machen mussten und seelisch nicht damit fertig werden, dass sie schießen mussten. Auch eine Kriegsfolge, ein Leiden – sicherlich gilt das nicht nur in der Gegenwart sondern auch für die Kämpfe der beiden Weltkriege!
Zu den Leiden dieser Zeit gehören die körperlichen Krankheiten genauso wie die Krankheiten in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen. Welt-Diabetes-Tag sei heute, las ich gestern in der Zeitung. Diabetes = Zucker ist ein Leiden für viele Menschen in unserer Gesellschaft, die genaue Beobachtung erfordert und für die die medizinische Forschung viele Hilfsmaßnahmen entwickelt hat. Herz-Probleme begleiten manch einen durch lange Zeiten. Der Krebs erregt nach wie vor große Schrecken, auch wenn die Krebsforschung schon manche Hilfe für Betroffene gebracht hat. Hinter den Stichworten „Alzheimer“ und „Parkinson“ verbergen sich gewaltige Leiden für die Betroffenen und für ihre Angehörigen. Da gibt es Christenmenschen, die im Aufblick auf Jesus, den Leidenden, Gekreuzigten und Auferstandenen ihre christliche Hoffnung mit den Worten des Apostels ausdrücken: „Ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.“ Das ist nicht billige Vertröstung sondern die Konsequenz aus dem Glauben an Jesus. Das schwingt schon im Glauben des Psalmbeters lange vor Jesus: „Ob ich schon wanderte im finstern Tal fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir.“ Dem Leiden und dem Tod ist die Schärfe genommen, wenn wir mit dem 90.Psalm Gott bezeichnen als den, der die Menschen sterben lässt und zu ihnen sagt: „Kommt wieder, Menschenkinder!“
Mit Tersteegen beten viele am Abend: „Ein Tag der sagt dem anderen, mein Leben sei ein Wandern zur großen Ewigkeit. O Ewigkeit, so schöne, mein Herz an dich gewöhne, mein Heim ist nicht in dieser Zeit.“
Abwarten können, das fällt so Manchem schwer. Man will jetzt die volle Klarheit haben. Das Auto, das man sich bestellt, schaut man im Prospekt und im Internet vorher genau an. Die Bibel ermöglicht uns eine klare Vorstellung, was auf uns zukommt, in den Reden Jesu können wir Vieles lesen und zur Kenntnis nehmen genauso wie in den Schriften seiner Apostel und speziell in dem, was Johannes an Visionen gehabt und in der Offenbarung überliefert hat.

Samstag, 6. November 2010

Predigt am 7.November 2010

Römer 14,7-9 – Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr – 7.November 2010
St.Marien Altenschönbach + St.Sixtus Prichsenstadt
AT-Lesung : Hiob 14,1-6 # Evangelium : Lukas 17,20-24

Was ist das Leben? Diese Frage kann in viele Situationen hinein gestellt werden. Und entsprechend bekommt man ganz unterschiedliche Antworten. Was ist das Leben für jene Bergarbeiter gewesen, als sie in 700 Meter Tiefe eingeschlossen waren, bevor sie Kontakt nach oben bekommen haben. Und was sagen sie jetzt über das Leben, nachdem ihre Rettung geklappt hat. Was ist das Leben in der Betrachtungsweise des Menschen, den der Arzt wegen Krebsverdacht zur Untersuchung geschickt hat – und was sagt er über das Leben, wenn sich der Verdacht bei der Untersuchung nicht bestätigt hat. Während einer Schwangerschaft erlebt die werdende Mutter in ihrem eigenen Leib ganz neu, was Leben ist und wie vielfältig es sich darstellt. Wir bekamen die Schreckensmeldung aus Repperndorf: Ein junger Mann beendet gewaltsam das Leben seiner Eltern und dann auch sein eigenes Leben. Was waren das für Leben? Was das Leben ist, fragt noch anders derjenige, der eine Niere für einen Verwandten spendet. Und was ist das Leben eines Soldaten, der im Krieg oder bei einem Bundeswehr-Einsatz ums Leben kommt – am nächsten Sonntag ist das als Thema wieder dran.
Unsere Lesung aus dem Hiob-Buch ist sehr nüchtern mit der Beschreibung des Lebens: „Der Mensch, von einer Frau geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.“ Gott sei Dank: Nicht das Einzige, was die Hl.Schrift über das Leben sagt! Weil Gott die Tage des Menschen festgelegt hat, hätte Hiob in seiner Depression es gern, wenn Gott wegschaute. Hiob ist hier ein Egoist, der nur an sich und sein Leid denkt.
Paulus hat eine andere Einstellung: „Unser keiner lebt sich selber“, sagt die Bibel in der heutigen Epistel. „Niemand von uns lebt für sich selbst“, heißt es in einer anderen Übersetzung. „Niemand lebt für sich selbst“: Wir sind eingebunden in unsere Familie, in unsere Nachbarschaft, in unser Volk und in die gesamte Menschheit. „Niemand lebt für sich selbst – Unser keiner lebt sich selber“: Wir sind eingebunden in eine Berufsgruppe, in einen Verein, in die Solidargemeinschaft einer Krankenkasse usw. Jeder von uns hat seinen Platz in der Gemeinschaft, ist auf die Gemeinschaft angewiesen und ist verpflichtet seinen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten. Da gibt es manche Person, die sich an verschiedenen Stellen für die Allgemeinheit engagiert. Und da gibt es auch solche, die sich lieber „vornehm zurückhalten“. Der erste Gedanke unserer Epistel ist ein deutlicher Impuls, für sich selbst Rechenschaft zu geben, wie weit wir unser eigenes „Ich“ in den Mittelpunkt unseres Lebens stellen und wie weit wir nicht nur für uns selbst leben, indem wir uns z.B. im Roten Kreuz, für die Diakonie, in der Feuerwehr, als Feldgeschworener oder für Brot für die Welt einsetzen.
Von der nüchternen Betrachtung des Hiob können wir nicht absehen: Wir leben nur eine bestimmte Zeit, wir gehen auf wie eine Blume und es kommt der Zeitpunkt, wo es nichts mehr mit uns ist. Für manche ist das der Impuls, fleißig zu schaffen und sich mit ihrem Lebenswerk ein Denkmal zu setzen, damit sie ja nicht vergessen werden. Jesus gibt im Evangelium einen kleinen Blick frei darauf, dass auf uns, dass auf die ganze Menschheit etwas Neues, Großes zukommt, wenn er als der Menschensohn am Ende der Zeiten wiederkommt. Mit dem Tod ist nicht alles aus!
Paulus verarbeitet, was Jesus getan hat. Er bezieht unser Leben auf Jesus Christus: „Leben wir, so leben wir dem Herrn – leben wir, dann leben wir für den Herrn.“ Er hat es nicht nötig, so niedergeschlagen zu denken, wie es bei Hiob zum Ausdruck kam. Er weiß aus dem Werk Jesu, dass unser Herr am Ende der Zeiten als der Richter kommen wird mit der Frage, was wir denn aus unserem Leben gemacht haben. Das ist eine Lebensfrage, ja eine Überlebens-Frage für die Kirche Jesu Christi, ob sie immer wieder an unsere Beziehung zu Jesus und an das Werk Jesu erinnert. Kirche darf nicht zu einem religiösen Verein verkommen, wo das Christsein nur an einzelnen Eckpunkten des Lebens eine Rolle spielt bei Taufe und Einschulung, bei Konfirmation und Eheschließung, bei runden Geburtstagen und bei der Beerdigung. Kirche ist die Gemeinschaft der Menschen, die im Festtag und Alltag ihr Leben auf Jesus Christus beziehen.
Nur wenn wir unser Leben bewusst in dem Fragen nach Jesu Willen und in der Gemeinschaft mit ihm führen, haben wir den Sinn seiner göttlichen Sendung in die Menschheit hinein begriffen. Wer auf die Worte Jesu hört, der wird motiviert, entsprechend zu handeln und zu leben: „Leben wir, dann leben wir für den Herrn.“
Und es geht weiter: Nur wenn wir in der bewussten Gemeinschaft mit Jesus leben – und dazu gehören das Hören auf Gottes Wort, das Gebet zu Gott und die Feier der Gemeinschaft mit Jesus im Hl.Mahl – dann kann das Werk Jesu auch in die dunkelsten Stunde unseres Lebens ein Licht tragen. Da, wo menschliche Weisheit am Ende ist – über Tod und Sterben sagt Paulus als Zeuge der Auferstehung Jesu: „Keiner stirbt sich selber … sterben wir, so sterben wir dem Herrn“ – oder im Wortlaut einer anderen Übersetzung: „Niemand stirbt für sich selbst … sterben wir, dann sterben wir für den Herrn.“ Der Tod erscheint uns immer als etwas ganz Persönliches, was nur mit dem einzelnen Menschen zu tun hat. Wir kennen aber auch jene Todesfälle, wo eindeutig ein größerer Zusammenhang da ist. Das ist ganz besonders deutlich bei Soldaten, Feuerwehleuten und Polizisten, die im Einsatz ums Leben kommen oder auch bei den Opfern von Katastrophen und Epidemien.. Paulus bleibt aber nicht bei den Spezial-Fällen, sondern er schreibt, dass jeder Tod ein Eintreten in die Schicksalsgemeinschaft mit Jesus ist: „Sterben wir, dann sterben wir für den Herrn – sterben wir, so sterben wir dem Herrn“. Das Sterben ist ein „Näher mein Gott zu Dir!“ und darum ein Sterben für den Herrn.
Wir haben die harte Grenze zwischen denen, die glauben, dass mit dem Tod alles aus sei, und denen, die ein Leben jenseits der Todesgrenze glauben. Zu dieser zweiten Gruppe gehören Jesus und alle, die mit ihm ernsthaft Chrisen sein wollen. Er hat deutlich gesagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt“ und er hat das mit seiner eigenen Auferstehung aus dem Felsengrab in Jerusalem bestätigt und besiegelt. Deshalb ist der Schluss-Akkord unseres Glaubensbekenntnisses: „Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“ Dazu hat er uns das Hl.Mahl als „Arznei der Unsterblichkeit“ gegeben: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm, und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag.“
Paulus schreibt von der Gleich-Gültigkeit: „Darum: Wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“ Es ist unter dem Gesichtspunkt unserer Gotteskindschaft gleich-gültig – oder: „egal“ – ob wir noch leben oder schon gestorben sind. Das widerspricht dem „gesunden Menschenverstand“. Ist ja klar! Hier geht es ja um göttliche Wahrheit und nicht um menschliche Weisheit! Das ist so eine Sache mit der menschlichen Betrachtungsweise. Ich denke an einen Verwandten, der mich und meine Familie besuchen will. Er ist weit weg, für mich nicht zu sehen in seinem Auto. Seine Gedanken sind bei meiner Familie, meine Gedanken sind bei ihm. Und dann ist er da, und wir können beieinander sein. Später kommt aber die Stunde des Abschieds: Er verlässt mich und ist für mich nicht mehr zu sehen, wir sind getrennt. Er ist unterwegs in seine angestammte Heimat und wird nach der Fahrt wieder dort sein und sein Leben führen.
So ist das mit uns –noch – Lebenden und den – schon – Verstorbenen. Sie haben uns verlassen, sie sind „weg“, aber in der Sichtweise Jesu sind sie nach wie vor da – nur eben nicht mehr in der Gemeinschaft der auf der Erde Lebenden. „Dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende Herr sei“, bekennt und schreibt der Apostel Paulus. Nicht irgendwelche magischen und okkulten Praktiken garantieren uns eine Verbindungen zu unseren Verstorbenen, sondern Jesus Christus ist das Scharnier zwischen ihnen und uns. Er verbürgt unsere Gemeinschaft mit ihnen in der „Gemeinschaft der Heiligen“.
Was ist das Leben? Für einen Christen ist es ein Geschenk Gottes mit der Zielrichtung „ewiges Leben bei Gott“ – egal ob Krebs oder Arbeitslosigkeit, Streit oder Verleumdung das Heute begleiten und prägen. Wir leben und wir sterben für den Herrn Jesus Christus, unsern Herrn in Zeit und Ewigkeit!

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