Sonntag, 14. November 2010

Predigt am 14.November 2010

Römer 8,18(-23) – Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr – 14.November 2010
St.Marien Abtswind
AT-Lesung : Jeremia 8,4-7 # Evangelium : Matthäus 25,31-46

Ein schwerer Vorwurf gegen die Evangeliumsverkündigung der Kirche ist der Satz, da würde nur auf das Jenseits vertröstet. Das Evangelium sei „Opium für das Volk“ ist eine Gipfelaussage, kirchliche Verkündigung sei nur eine Betäubung – und nicht mehr.
Dazu sind zwei Erwiderungen erforderlich: Einmal geht es in der Verkündigung Jesu und damit in der biblischen Verkündigung wie auch in der kirchlichen Verkündigung um den Hinweis auf das ewige Reich Gottes nach dem Ende aller Dinge. Unser heutiger Predigttext ist in diesem Zusammenhang ein besonders deutliches Beispiel, wenn da von den Leiden dieser Zeit, dem ängstlichen Harren der Kreatur und von der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll, die Rede ist. Zum andern ist in der Verkündigung Jesu, in der biblischen Botschaft und in dem Reden der Kirche viel von den gegenwärtigen Dingen zu hören. Das heutige Evangelium ist dazu ein deutliches Beispiel, welche Dinge nach dem Willen Jesu von den Menschen hier und heute getan werden sollen
Der eingangs genannte Vorwurf hat leider zu manchen Zeiten dazu geführt, dass man sich in der kirchlichen Verkündigung gescheut hat, die künftige Herrlichkeit bei Gott zu predigen – auch in unserer Zeit kann man das da und dort erleben. Was auch immer die Kritiker der Kirche vorzubringen haben, wir glauben an den Jesus Christus, der derselbe ist gestern und heute und auch in Ewigkeit. Und von diesem Herrn geht Trost aus in den Worten, die der Apostel Paulus als erster formuliert hat: „Ich bin überzeugt, dass die Leiden dieser Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.“
Früher hieß es in vielen Lebensbereichen. „Abwarten!“ Da hat sich heute Einiges geändert. Da gibt es heute vor dem Buchen eines Urlaubsquartiers die Möglichkeit, sich im Prospekt und mehr noch im Internet über die Region, über den Ort und über das Haus genaue Informationen einzuholen. Und wenn man dann ankommt, stellt man fest: Ja, es ist genauso, wie ich es im Prospekt gesehen oder im Internet recherchiert habe. - Ob’s ein Mädchen oder ein Bub ist, das können werdende Eltern schon lange vor der Geburt feststellen lassen, und die Möglichkeit, ein Kind vor der Geburt schon recht genau sehen zu können, ist durch die hochentwickelte Ultraschall-Technik möglich. - Die Wettervorhersagen treffen heutzutage sehr viel exakter zu als in früheren Jahrzehnten. - In vielen Bereichen sind genaue Voraussagen heute eine Selbstverständlichkeit – egal ob das die Knautschzone bei einem Auto oder die Sicherheit eines Hochhausbaus in einer erdbeben-gefährdeten Region ist.
Man möchte am liebsten alles von vornherein genau wissen und nichts abwarten müssen. In diesen Zusammenhang gehört die Kritik an der Verkündigung der Kirche über die künftigen Dinge. Der „natürliche Mensch“ glaubt je länger desto mehr nur an das, was er mit seinen fünf Sinnen jetzt wahrnehmen kann. Es gibt die harte Grenze, die durch unsere Gesellschaft, ja durch die ganze Menschheit geht. Da sind die einen, die ganz nüchtern nur das für wahr halten, was sie jetzt haben, sehen und fühlen. Und da gibt es die anderen, die offen sind für mehr, als was sie jetzt begreifen können, die sich etwas aus der göttlichen Offenbarung sagen lassen, was tiefere Hintergründe und was göttliche Pläne sind.
Dem „vernünftigen Menschen“ sind allerdings Grenzen gesetzt. Am heutigen Volkstrauertag nehme ich ein Beispiel aus der Kriegszeit. Da gab immer wieder die merkwürdige Begebenheit, dass eine Mutter eines Soldaten sagte: „Jetzt ist mein Sohn ums Leben gekommen!“ Sie war sich in weiter Ferne ganz sicher, dass ihr Kind gefallen ist. Und lange Zeit später kam – zumindest in den Anfangszeiten des Kriegs war das möglich – die Meldung, dass dieser Soldat gefallen ist. Und beim Nachforschen kam heraus, dass dieser Kriegstod genau zu dem Zeitpunkt eingetreten ist, an dem die Mutter dies gefühlt hat. Eins von vielen Beispielen, die mit unserer Vernunft nicht zu erklären sind.
Wohl dem Menschen, der diese Offenheit hat und nicht der Meinung ist, er sei Gott gleich die höchste Instanz, die bestimmen kann, was wahr ist und was nichts ist. Paulus schreibt von den Leiden dieser Zeit, die man nicht übersehen aber auch nicht überbetonen soll, die eingebettet sind in das Leiden der ganzen Schöpfung. Wir denken heute besonders an all die Leiden, die durch die Kriege immer wieder entstanden sind und entstehen. Da gibt es nicht nur die Soldaten, die im Kampf oder an den Folgen der Kämpfe oder als Kriegsgefangene sterben – ihr persönliches mehr oder weniger langes Leiden. Da gibt es die anderen Betroffenen, die unter kriegerischem Töten leiden: Eltern, Ehefrauen und Kinder, die eine für sie wichtige Person durch den Kriegstod verlieren und anschließend ihr Leben in einem Stil führen müssen, wo eine wichtige Person fehlt. Man kann dieses Leid in sich hineinfressen und verbittern. Der Mensch, der zu dem am Kreuz leidenden und aus dem Grab auferstandenen Jesus glaubt, kann sich von Paulus sagen lassen, dass die Leiden dieser Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. Eine Fülle anderer Leiden der Zivil-Bevölkerung wäre noch aufzuzählen.
Ich selbst habe meinen Vater im Krieg verloren. Ich bin meiner früh verstorbenen Mutter dankbar, dass sie meine Schwester und mich in der christlichen Hoffnung und nicht im Hass auf die, die unseren Vater getötet haben, erzogen hat. Ich habe meinen Paten erlebt, der im Krieg einen Arm verloren hat, mich als fröhlicher Christenmensch auf meinem Weg begleitet hat und mir ein Vorbild im Glauben und Hoffen geworden ist. Beide stehen mir vor Augen, wenn ich in der Bibel lese: „Ich bin überzeugt, dass dieser Zeit leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.“
Das gilt nicht nur im Blick auf Leiden, die in kriegerischem Zusammenhang ausgelöst werden – aber eben auch da. Wir hören von den Soldaten der Bundeswehr, die in Afghanistan den Frieden sichern sollen, aber in Kämpfe verwickelt werden, von der Schusswaffe Gebrauch machen mussten und seelisch nicht damit fertig werden, dass sie schießen mussten. Auch eine Kriegsfolge, ein Leiden – sicherlich gilt das nicht nur in der Gegenwart sondern auch für die Kämpfe der beiden Weltkriege!
Zu den Leiden dieser Zeit gehören die körperlichen Krankheiten genauso wie die Krankheiten in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen. Welt-Diabetes-Tag sei heute, las ich gestern in der Zeitung. Diabetes = Zucker ist ein Leiden für viele Menschen in unserer Gesellschaft, die genaue Beobachtung erfordert und für die die medizinische Forschung viele Hilfsmaßnahmen entwickelt hat. Herz-Probleme begleiten manch einen durch lange Zeiten. Der Krebs erregt nach wie vor große Schrecken, auch wenn die Krebsforschung schon manche Hilfe für Betroffene gebracht hat. Hinter den Stichworten „Alzheimer“ und „Parkinson“ verbergen sich gewaltige Leiden für die Betroffenen und für ihre Angehörigen. Da gibt es Christenmenschen, die im Aufblick auf Jesus, den Leidenden, Gekreuzigten und Auferstandenen ihre christliche Hoffnung mit den Worten des Apostels ausdrücken: „Ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.“ Das ist nicht billige Vertröstung sondern die Konsequenz aus dem Glauben an Jesus. Das schwingt schon im Glauben des Psalmbeters lange vor Jesus: „Ob ich schon wanderte im finstern Tal fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir.“ Dem Leiden und dem Tod ist die Schärfe genommen, wenn wir mit dem 90.Psalm Gott bezeichnen als den, der die Menschen sterben lässt und zu ihnen sagt: „Kommt wieder, Menschenkinder!“
Mit Tersteegen beten viele am Abend: „Ein Tag der sagt dem anderen, mein Leben sei ein Wandern zur großen Ewigkeit. O Ewigkeit, so schöne, mein Herz an dich gewöhne, mein Heim ist nicht in dieser Zeit.“
Abwarten können, das fällt so Manchem schwer. Man will jetzt die volle Klarheit haben. Das Auto, das man sich bestellt, schaut man im Prospekt und im Internet vorher genau an. Die Bibel ermöglicht uns eine klare Vorstellung, was auf uns zukommt, in den Reden Jesu können wir Vieles lesen und zur Kenntnis nehmen genauso wie in den Schriften seiner Apostel und speziell in dem, was Johannes an Visionen gehabt und in der Offenbarung überliefert hat.

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