Samstag, 6. November 2010

Predigt am 7.November 2010

Römer 14,7-9 – Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr – 7.November 2010
St.Marien Altenschönbach + St.Sixtus Prichsenstadt
AT-Lesung : Hiob 14,1-6 # Evangelium : Lukas 17,20-24

Was ist das Leben? Diese Frage kann in viele Situationen hinein gestellt werden. Und entsprechend bekommt man ganz unterschiedliche Antworten. Was ist das Leben für jene Bergarbeiter gewesen, als sie in 700 Meter Tiefe eingeschlossen waren, bevor sie Kontakt nach oben bekommen haben. Und was sagen sie jetzt über das Leben, nachdem ihre Rettung geklappt hat. Was ist das Leben in der Betrachtungsweise des Menschen, den der Arzt wegen Krebsverdacht zur Untersuchung geschickt hat – und was sagt er über das Leben, wenn sich der Verdacht bei der Untersuchung nicht bestätigt hat. Während einer Schwangerschaft erlebt die werdende Mutter in ihrem eigenen Leib ganz neu, was Leben ist und wie vielfältig es sich darstellt. Wir bekamen die Schreckensmeldung aus Repperndorf: Ein junger Mann beendet gewaltsam das Leben seiner Eltern und dann auch sein eigenes Leben. Was waren das für Leben? Was das Leben ist, fragt noch anders derjenige, der eine Niere für einen Verwandten spendet. Und was ist das Leben eines Soldaten, der im Krieg oder bei einem Bundeswehr-Einsatz ums Leben kommt – am nächsten Sonntag ist das als Thema wieder dran.
Unsere Lesung aus dem Hiob-Buch ist sehr nüchtern mit der Beschreibung des Lebens: „Der Mensch, von einer Frau geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.“ Gott sei Dank: Nicht das Einzige, was die Hl.Schrift über das Leben sagt! Weil Gott die Tage des Menschen festgelegt hat, hätte Hiob in seiner Depression es gern, wenn Gott wegschaute. Hiob ist hier ein Egoist, der nur an sich und sein Leid denkt.
Paulus hat eine andere Einstellung: „Unser keiner lebt sich selber“, sagt die Bibel in der heutigen Epistel. „Niemand von uns lebt für sich selbst“, heißt es in einer anderen Übersetzung. „Niemand lebt für sich selbst“: Wir sind eingebunden in unsere Familie, in unsere Nachbarschaft, in unser Volk und in die gesamte Menschheit. „Niemand lebt für sich selbst – Unser keiner lebt sich selber“: Wir sind eingebunden in eine Berufsgruppe, in einen Verein, in die Solidargemeinschaft einer Krankenkasse usw. Jeder von uns hat seinen Platz in der Gemeinschaft, ist auf die Gemeinschaft angewiesen und ist verpflichtet seinen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten. Da gibt es manche Person, die sich an verschiedenen Stellen für die Allgemeinheit engagiert. Und da gibt es auch solche, die sich lieber „vornehm zurückhalten“. Der erste Gedanke unserer Epistel ist ein deutlicher Impuls, für sich selbst Rechenschaft zu geben, wie weit wir unser eigenes „Ich“ in den Mittelpunkt unseres Lebens stellen und wie weit wir nicht nur für uns selbst leben, indem wir uns z.B. im Roten Kreuz, für die Diakonie, in der Feuerwehr, als Feldgeschworener oder für Brot für die Welt einsetzen.
Von der nüchternen Betrachtung des Hiob können wir nicht absehen: Wir leben nur eine bestimmte Zeit, wir gehen auf wie eine Blume und es kommt der Zeitpunkt, wo es nichts mehr mit uns ist. Für manche ist das der Impuls, fleißig zu schaffen und sich mit ihrem Lebenswerk ein Denkmal zu setzen, damit sie ja nicht vergessen werden. Jesus gibt im Evangelium einen kleinen Blick frei darauf, dass auf uns, dass auf die ganze Menschheit etwas Neues, Großes zukommt, wenn er als der Menschensohn am Ende der Zeiten wiederkommt. Mit dem Tod ist nicht alles aus!
Paulus verarbeitet, was Jesus getan hat. Er bezieht unser Leben auf Jesus Christus: „Leben wir, so leben wir dem Herrn – leben wir, dann leben wir für den Herrn.“ Er hat es nicht nötig, so niedergeschlagen zu denken, wie es bei Hiob zum Ausdruck kam. Er weiß aus dem Werk Jesu, dass unser Herr am Ende der Zeiten als der Richter kommen wird mit der Frage, was wir denn aus unserem Leben gemacht haben. Das ist eine Lebensfrage, ja eine Überlebens-Frage für die Kirche Jesu Christi, ob sie immer wieder an unsere Beziehung zu Jesus und an das Werk Jesu erinnert. Kirche darf nicht zu einem religiösen Verein verkommen, wo das Christsein nur an einzelnen Eckpunkten des Lebens eine Rolle spielt bei Taufe und Einschulung, bei Konfirmation und Eheschließung, bei runden Geburtstagen und bei der Beerdigung. Kirche ist die Gemeinschaft der Menschen, die im Festtag und Alltag ihr Leben auf Jesus Christus beziehen.
Nur wenn wir unser Leben bewusst in dem Fragen nach Jesu Willen und in der Gemeinschaft mit ihm führen, haben wir den Sinn seiner göttlichen Sendung in die Menschheit hinein begriffen. Wer auf die Worte Jesu hört, der wird motiviert, entsprechend zu handeln und zu leben: „Leben wir, dann leben wir für den Herrn.“
Und es geht weiter: Nur wenn wir in der bewussten Gemeinschaft mit Jesus leben – und dazu gehören das Hören auf Gottes Wort, das Gebet zu Gott und die Feier der Gemeinschaft mit Jesus im Hl.Mahl – dann kann das Werk Jesu auch in die dunkelsten Stunde unseres Lebens ein Licht tragen. Da, wo menschliche Weisheit am Ende ist – über Tod und Sterben sagt Paulus als Zeuge der Auferstehung Jesu: „Keiner stirbt sich selber … sterben wir, so sterben wir dem Herrn“ – oder im Wortlaut einer anderen Übersetzung: „Niemand stirbt für sich selbst … sterben wir, dann sterben wir für den Herrn.“ Der Tod erscheint uns immer als etwas ganz Persönliches, was nur mit dem einzelnen Menschen zu tun hat. Wir kennen aber auch jene Todesfälle, wo eindeutig ein größerer Zusammenhang da ist. Das ist ganz besonders deutlich bei Soldaten, Feuerwehleuten und Polizisten, die im Einsatz ums Leben kommen oder auch bei den Opfern von Katastrophen und Epidemien.. Paulus bleibt aber nicht bei den Spezial-Fällen, sondern er schreibt, dass jeder Tod ein Eintreten in die Schicksalsgemeinschaft mit Jesus ist: „Sterben wir, dann sterben wir für den Herrn – sterben wir, so sterben wir dem Herrn“. Das Sterben ist ein „Näher mein Gott zu Dir!“ und darum ein Sterben für den Herrn.
Wir haben die harte Grenze zwischen denen, die glauben, dass mit dem Tod alles aus sei, und denen, die ein Leben jenseits der Todesgrenze glauben. Zu dieser zweiten Gruppe gehören Jesus und alle, die mit ihm ernsthaft Chrisen sein wollen. Er hat deutlich gesagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt“ und er hat das mit seiner eigenen Auferstehung aus dem Felsengrab in Jerusalem bestätigt und besiegelt. Deshalb ist der Schluss-Akkord unseres Glaubensbekenntnisses: „Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“ Dazu hat er uns das Hl.Mahl als „Arznei der Unsterblichkeit“ gegeben: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm, und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag.“
Paulus schreibt von der Gleich-Gültigkeit: „Darum: Wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“ Es ist unter dem Gesichtspunkt unserer Gotteskindschaft gleich-gültig – oder: „egal“ – ob wir noch leben oder schon gestorben sind. Das widerspricht dem „gesunden Menschenverstand“. Ist ja klar! Hier geht es ja um göttliche Wahrheit und nicht um menschliche Weisheit! Das ist so eine Sache mit der menschlichen Betrachtungsweise. Ich denke an einen Verwandten, der mich und meine Familie besuchen will. Er ist weit weg, für mich nicht zu sehen in seinem Auto. Seine Gedanken sind bei meiner Familie, meine Gedanken sind bei ihm. Und dann ist er da, und wir können beieinander sein. Später kommt aber die Stunde des Abschieds: Er verlässt mich und ist für mich nicht mehr zu sehen, wir sind getrennt. Er ist unterwegs in seine angestammte Heimat und wird nach der Fahrt wieder dort sein und sein Leben führen.
So ist das mit uns –noch – Lebenden und den – schon – Verstorbenen. Sie haben uns verlassen, sie sind „weg“, aber in der Sichtweise Jesu sind sie nach wie vor da – nur eben nicht mehr in der Gemeinschaft der auf der Erde Lebenden. „Dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende Herr sei“, bekennt und schreibt der Apostel Paulus. Nicht irgendwelche magischen und okkulten Praktiken garantieren uns eine Verbindungen zu unseren Verstorbenen, sondern Jesus Christus ist das Scharnier zwischen ihnen und uns. Er verbürgt unsere Gemeinschaft mit ihnen in der „Gemeinschaft der Heiligen“.
Was ist das Leben? Für einen Christen ist es ein Geschenk Gottes mit der Zielrichtung „ewiges Leben bei Gott“ – egal ob Krebs oder Arbeitslosigkeit, Streit oder Verleumdung das Heute begleiten und prägen. Wir leben und wir sterben für den Herrn Jesus Christus, unsern Herrn in Zeit und Ewigkeit!

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